Das grundlegende Problem ist der fehlende Steuerungsmechanismus. Während es in anderen Bereichen sofort ein Feedback aus der Realität gäbe, erfolgt dieses Feedback bei den Geisteswissenschaften nicht. Werden z.B. in den Ingenieurswissenschaften entscheidende, berufsrelevante Inhalte nicht gelehrt, würden dies unmittelbar zu einem Feedback aus der Industrie führen und den Druck auf die Ingenieurswissenschaften erhöhen. Werden neue therapeutische Behandlungen in der Medizin entwickelt, dann werden diese irgendwann auch mal Gegenstand der akademischen Lehre, zumindest die Grundlagen. Etabliert sich CRISPR / Cas als eine therapeutische Möglichkeit, wird zunehmend die Theorie dahinter irgendwann gelehrt. Die Inhalte dieser Studienfächer ändert sich also im Laufe von fünfzig Jahren grundlegend. Teilweise so grundlegend, dass sogar neue Studiengänge, z.B. Molekularbiologie, angeboten werden. Ergeben sich stabile Beziehungen, werden diese zu neuen Fächern kombiniert, etwa Wirtschaftsinformatik, Lebensmitteltechnologie, Gesundheitsökonomie etc… Das alles passiert in den Geisteswissenschaften nicht. Fächer wie die Philologien, Geschichte, Kunstgeschichte, Archäologie etc. funktionieren inhaltlich und methodisch noch wie vor 100 Jahren. Dass der berufliche Alltag gar nichts mit dem Studium zu tun hat, erlebt der Anglist zum ersten Mal, wenn er vor einer Klasse steht, bzw. sonst einer Tätigkeit nachgeht, wo er eine Zielgruppe für einen Inhalt begeistern muss.
Zielführender ließen sich die geisteswissenschaftlichen Fakultäten steuern, wenn jede Fakultät anonym veröffentlichen müsste, wie viele Absolventen drei Jahre nach Beendigung des Studiums den Einstieg ins Berufsleben geschafft haben. Hierfür müsste eine gesetzliche Regelung geschaffen werden, die die Übermittlung dieser Daten durch die Absolventen zwingend vorschreibt, etwa über eine internetbasierte Plattform. Die Studenten, die tatsächlich ihre erworbenen Kenntnisse irgendwann beruflich verwerten wollen, hätten dann eine Wahlmöglichkeit. Weiter könnten die Ressourcen nachfrageorientiert gesteuert werden. Den Fakultäten, die einen hohen Zulauf an Studenten haben, würden mehr Mittel zugewiesen, den anderen entsprechend weniger. Ausufernde Diskussionen über die Ökonomisierung des Geistes würden entfallen, da die Mittel lediglich so zugewiesen werden, dass sie den Vorstellungen der Studenten entsprechen.