Geistige Artefakte werden hervorgebracht, seit es Menschen gibt. Wieso, warum, weshalb ist unklar. Vermutlich dienten sie ursprünglich kultischen Zwecken, was aber weitgehend irrelevant ist. Wäre die Bindung an den Kultus besonders eng, hätten sie sich nur schwer davon lösen können. Wir wissen auch nicht, was 10 Millionen Leute pro Jahr in den Louvre treibt, 4 Millionen in die Uffizien, 3 Millionen in den Prado, 2 Millionen nach Machu Pichu etc.. Drei Millionen Besucher pro Jahr hat auch das Museo de Antropología in Mexiko, obwohl kaum vorstellbar ist, dass irgendjemand das, was er da sieht, einordnen kann. Wer nicht gerade Experte ist auf dem Gebiet der präkolumbianischen Kultur, der dürfte da ziemlich verloren sein. Auf jeden Fall kann man konstatieren, dass die Worthülsen sich überall auf der Welt irgendwie ähneln, wie man den Kommentaren im Internet entnehmen kann.

Excelente lugar para entender nuestro origen, 
costumbres y del mismo modo entender hacia 
qué rumbo nos dirigimos como sociedad.

Hervorragender Ort um unseren Urprung,
unsere Sitten zu verstehen wie auch um zu verstehen,
welchen Richtung unsere Gesellschaft nehmen wird.

Der Autor bezweifelt schlicht, dass der durchschnittliche Mexikaner, der mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar europäischen Ursprungs ist, mit der Kultur der Olmeken allzuviel anfangen kann. Das klingt alles ein bisschen nach AFD mit der tausendjährigen deutschen Geschichte. Der Kalauer keine Zukunft ohne Herkunft ist irgendwie intuitiv einleuchtend, obwohl völlig unklar ist, inwiefern die Kultur der Olmeken, Tolteken, Azteken etc.. richtungsweisend ist. Vermutlich hämmern alle Staaten dieser Welt den Leuten solange den Spruch von der Herkunft und der Zukunft ins Hirn, bis alle daran glauben. Teilweise mag das ja anekdotisch interessant sein, man kann sich z.B.fragen, wie das alemannische Verb luaga, „Er het us’m Fenster use gluagt“, offensichtlich germanischer Urschleim und verwandt mit dem englischen to look, im alemannischen Raum überlebt hat und im Schwäbischen nicht. (Die Bemerkung, die man hin und wieder findet, dass luaga auch im Schwäbischen existiert ist falsch.) Man kann sich auch fragen, wo das alemannische kaye herkommt, „I bin hikait“, „Ich bin hingefallen“, was ziemlich ähnlich aussieht wie das spanische cayer, also irgendein durchziehender Stamm hat das Verb nach Spanien exportiert. Wir haben also manchmal wirklich Reminiszensen im Alltag, die von ganz weit herkommen. Dem Autor ist nur nicht klar, inwiefern Ereignisse, die zweitausend Jahre zurückliegen, die Menschen tiefer prägen sollen, als persönliche Erlebnisse. Selber durch den Rhein schwimmen prägt entscheidender, als die Überquerung des Rubicon durch Cäsar, daran ändert auch alea jacta est nichts. Wer im Rhein in einen Strudel gerät, dem ist dann schlicht egal, dass Caesar den Rubikon überquerte und einen Bürgerkrieg anzettelte. Er hat dann ganz existenzielle Probleme und die Erfahrung wird ihn für immer prägen. Jemand der das goldene Leistungsabzeichen der DLRG hat, wie der Autor dieser Zeilen,  weiß das.

Mag ja sein, dass die Nationalsozialisten eine Ahnung hatten von Herkunft und Geschichte und deswegen nach den germanischen Urahnen forschten, aber der Autor wird den Verdacht nicht los, dass die sich da was eingeredet haben. Wenn jemand wissen will, welche Richtung eine Gesellschaft nimmt, dann sollte er eher die Principles of Economics von Alfred Marshall in die Hand nehmen. Das dürfte, wenn man von der Geldtheorie absieht, richtungsweisender sein. Im übrigen ist es wahrscheinlich umgekehrt. Herkunft wird von der Zukunft geprägt, wie schon Faust zutreffend feststellte.

Was ihr den Geist der Zeiten heißt,
Das ist im Grund der Herren eigner Geist,
In dem die Zeiten sich bespiegeln.

Wahrscheinlich neigen Menschen dazu, sich den Zustand der Welt irgendwie erklären zu wollen und produzieren dann eine Theorie, die den Zustand der Welt als Resultat historischer Prozesse darstellt. Carlos Murks und der Marxismus ist so ein Beispiel. Da hat man einen Zusammenhang zwischen Herkunft und Zukunft. In der Vergangenheit gab es Kapitalakkumulation und das wird in Zukunft so weitergehen, bis die Expropriateure expropriiert werden. Das ist das, was Popper das Elend des Historizismus nennt. Der Glaube, dass, behauptete, Tendenzen der Geschichte auch die Zukunft prägen werden. Wer von der Vergangenheit geprägt wird, dem fehlt unter Umständen die Vision für die Zukunft, die wiederum nur der Geist liefern kann.

Immerhin suchen die Leute irgendwas, auch wenn es nur Unterhaltung ist und manchmal führt das zu irgendwas, immerhin kann man dann was finden, was man gar nicht gesucht hat. Es soll ja vorkommen, dass man seine Schlüssel sucht und dabei wesentlich bedeutsamere Dinge findet. Kritischer ist da schon die Spielekonsole von Microsoft oder der Gameboy von Nintendo, der ist zwar auch unterhaltsam, aber da findet man nix, nicht mal zufällig. Anders formuliert: Man findet immer das gleiche.

Komischerweise darf der Geist der Geisteswissenschaften nicht unterhaltsam sein. Dass der Geist schlicht eine unterhaltsame Angelegenheit ist, steht in keinem Lehrplan und unter dieser Perspektive wird er im akademischen Umfeld nie betrachtet. Tatsächlich dürfte es die Unterhaltung sein, die den Geist massenwirksam werden lässt. Und wo steht das schon? Genau!

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