Wir haben, vermutlich ist das deutlich geworden, nicht am Sinn des Geistes gezweifelt. Was er konkret ist, ist zwar unklar, aber zweifelsfrei ist er vorhanden und es besteht eine Nachfrage. Der Geist ist irgendwas, mit dem sich die Geisteswissenschaften befassen bzw. befassen sollten. Was der Geist ist, lässt sich dem entnehmen, was man in Sonntagsreden den Geisteswissenschaften an Aufgaben zuweist. Er soll das ästhetische Bewusstsein schärfen, er soll die Welt zum Sprechen bringen, er soll zur Selbsterkenntnis führen, er soll klären, was der Mensch ist und wie er sich zur Welt verhält, er soll verdeutlichen, dass das Bewusstsein geschichtlich determiniert ist, er soll einen Überschuss liefern, der in die Zukunft weist, er soll die Fähigkeit zur Empathie stärken, er soll eine interkulturelles Verständnis ermöglichen, er soll eine Bewertung des technischen Fortschritts liefern, er soll ethisch / moralische Maßstäbe liefern, und vieles andere mehr. Das alles soll sich aus einem Kanon, der je nach Land unterschiedlich ist, ableiten lassen.

Teilweise ist das möglich, teilweise absurd, weil der nationale Kanon durchaus auch irre Thesen vertreten kann und auch dem Ungeist dienen kann. Um den Geist geht es aber in der öffentlichen Debatte gar nicht, dieser ist immer vorhanden und jeder Mensch hat ästhetische Präferenzen, Ziele, Werte, ist mehr oder weniger zur Empathie fähig, kann sich mehr oder weniger vorstellen, dass Menschen in früheren Zeiten anders gedacht und gefühlt haben, manche Leute haben auch moralische / ethische Vorstellungen, und dass die Schönheit im Auge des Betrachters liegt, wissen auch alle. Sollen die Geisteswissenschaften eine sinnvolle Rolle spielen, was sie wohl müssen, denn andernfalls gibt es keinen Grund, sie mit Steuergeldern zu subventionieren, dann müsste man irgendwie nachweisen können, dass der Geist durch die Geisteswissenschaften irgendwie verändert wird und dieser Nachweis dürfte derzeit ausgesprochen schwer zu erbringen sein. Die Apologeten der Geisteswissenschaften vermischen hier zwei Dinge, die nichts miteinander zu tun haben. An der Bedeutung des Geistes wird in der öffentlichen Debatte gar nicht gezweifelt. Zweifel bestehen nur hinsichtlich der Frage, ob die Geisteswissenschaften eine Beitrag zur Entwicklung des Geistes erbringen. Ihre vermeintliche Bedeutung stützt sich auf die Annahme, dass der Geist durch sie auf die Gesellschaft einwirkt. Das ist Blödsinn. Was die Geisteswissenschaften treiben interessiert schlicht niemanden. Ihre institutionelle Förderung ergibt sich aus der Tatsache, dass die Politik intuitiv davon ausgeht, dass es ohne Geisteswissenschaften weniger Geist gäbe. Das ist schon deswegen falsch, weil der Kanon, an dem die Geisteswissenschaften sich abarbeiten, nur ein Bruchteil dessen ist, was das Bewusstsein der Gesellschaft prägt und die Ergüsse geisteswissenschaftlichen Sinnens sind irrelevant und eine weite Verbreitung ist nicht mal intendiert. Würde man die geisteswissenschaftlichen Fakultäten schlicht abschaffen, würde das niemandem auffallen. Für die Vermittlung von Fremdsprachen an Schulen könnte man auch qualifizierte Muttersprachler einsetzen.

Weiter wurde darüber diskutiert, wieso die Vermittlung des Inhalts geistiger Artefakte schwierig ist. Schwierig ist es, weil verstehen hier etwas ganz anderes bedeutet, als in den Naturwissenschaften. Verstehen heißt hier nicht, die kausalen Beziehungen zwischen zwei Objekten nachvollziehen zu können, sondern die Beziehung zwischen einem Subjekt und einem Objekt. Verstehen heißt hier also eher nachempfinden. Wahrheit ist beim Geist nicht durch die empirische Belastbarkeit garantiert, sondern durch die Authentizität. Wenn intersubjektiv ein geistiges Artefakt die Leute begeistert, beschäftigt, prägt, zum Nachdenken bringt, dann ist das geistige Artefakt authentisch. Wahrheit ist Authentizität und das ist eben genau das Gegenteil von beliebig.

Last not least haben wir ein systemisches Problem angesprochen. Jedes System, das nicht durch klare Ziele gesteuert wird und bei dem ein Verhalten das nichts zur Zielerreichung beiträgt sanktioniert wird, läuft aus dem Ruder. Das ist der Grund, warum die marktwirtschaftliche Ordnung zumindest kurzfristig überlegen ist. Die marktwirtschaftliche Ordnung hat zwar Probleme strategische Ziele zu verfolgen, weil die objektive Kontrolle durch den Markt eine kurzfristige Gewinnmaximierung erzwingt, aber zumindest kurzfristig funktioniert sie. Eine Fehlallokation der Mittel, das heißt eine Ressourcenallokation an der Nachfrage vorbei, ist nicht möglich, da dies unter Konkurrenzbedingung zum Bankrott führen würde. Geisteswissenschaftler werden nun anmerken, dass sie für das Wahre, Schöne und Gute stehen und selbiges nicht mit den schnöden Kriterien des Mammons beurteilt werden darf. Das Argument sticht aber nicht, denn der Steuerzahler ist auch nicht verpflichtet, die Hobbys anderer Leute zu finanzieren. Daraus ergibt sich dann die Frage, wie man einen Steuerungsmechanismus in das System bringt. Wir können davon ausgehen, dass ein Einstieg in das Berufsleben nur gelingen kann, wenn die Absolventen irgendeine Leistung erbringen, für die sich auch irgendjemand interessiert. Folglich sind Fakultäten danach zu bewerten, inwiefern ihre Absolventen den Einstieg ins Berufsleben schaffen. Würden also diese Zahlen veröffentlicht, könnten die Studenten zwischen effizienten und weniger effizienten Universitäten wählen und eine entsprechende Reallokation der Mittel wäre möglich. Wir hätten also einen am Markt ausgerichteten Wettbewerb. Das Argument, dass dies zu einer Ökonomisierung des Studiums führt, sticht nicht, wenn die Alternative völlige Irrelevanz und pseudowissenschaftliches Geblubbere ist.

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