Bekanntlich hat sich in den letzten 200 Jahren das Verhältnis zwischen Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften radikal geändert. War im 18. Jahrhundert noch das humanistische Gymnasium mit Griechisch und Latein das Maß aller Dinge und Naturwissenschaften eher im Bereich der trivialen Realität angesiedelt, so ist es heute gerade umgekehrt.
Von den Naturwissenschaften verspricht man sich die Lösung von Problemen, während die Geisteswissenschaften sich nun seit 2000 Jahren damit beschäftigen, über Probleme zu diskutieren. Bahnbrechende, zukunftsweisende Visionen basieren auf technologischem Fortschritt und Ingenieure sind weit offener für neue Ideen als Geisteswissenschaftler, die in einer bornierten, verkrampften Verteidigungsstellung verharren.
Ingenieure und Ähnliches sind auch für den Strukturwandel in der Regel besser vorbereitet. Geisteswissenschaftler verharren in Traditionen, weil diese ihre Existenz sichern und die sie deshalb verbissen verteidigen, auch wenn jede Anschlussfähigkeit an die Lebenswirklichkeit fehlt. Die Lösung der anstehenden Probleme verspricht man sich von effizienteren Verbrennungsmotoren, bzw. ganz anderer Antriebsaggregate, von Technologien, die es erlauben z.B. die Wüste zu begrünen oder von solargetriebenen Wasserentsalzungsanlagen, von kleinteiligen Systemen zur Energiegewinnung, von Anlagen zur Wasseraufbereitung, optimierten Pflanzen, von Systemen die das Internet in den letzten Winkel der Welt tragen etc. etc..
Die Geisteswissenschaften spielen keine Rolle mehr. Die Frage ist nur, ob das, was vordergründig so richtig erscheint, auch tatsächlich richtig ist. Wer den Triumph der Naturwissenschaften diagnostiziert, geht davon aus, dass die zentralen Probleme der Menschheit technologischer Natur sind. Betrachten wir geschichtliche Zusammenhänge, hier kann man aus der Geschichte tatsächlich mal was lernen, dann stellt sich eher die Frage, ob nicht die Ziele, Visionen, Wertvorstellungen das Problem sind. Dann bräuchte man eine Geisteswissenschaft, die diese bewusst macht und in vernünftige, rationale Bahnen lenkt.
Das trifft im übrigen auch auf die Volkswirtschaftslehre zu. Man kann ein ganzes Buch schreiben über ökonomische Irrtümer und deren fatale Wirkung. Conquistatoren wie Cortez oder Pizarro z.B. waren getrieben von der Suche nach Gold. Tatsächlich ist Gold aber nichts anderes als Geld, kann also auch Papier sein. Der Zufluss von südamerikanischem Gold sorgte erstmal nur für Inflation in Spanien und langfristig für den Niedergang Spaniens, weil man sich auch mit allem Gold der Welt keine Produkte kaufen kann, die es schlicht nicht gibt. Der Entdeckung Südamerikas, mit allen fatalen Folgen, liegt also ein ökonomischer Irrtum zugrunde.
Das dritte Reich, um mal ein extremes Beispiel zu nennen, ist nicht daran zugrunde gegangen, dass die Technologien zur Lösung anstehender Probleme nicht vorlagen. Zugrunde gerichtet wurde es durch die totale Abwesenheit von „Geist“, bzw. dadurch, dass die Geisteswissenschaften völlig funktionslos waren.
(Das stimmt selbst dann, wenn man an den Hokuspokus vom Lebensraum im Osten geglaubt hat. Anstatt Panzer dahin zu schicken, hätte man auch Traktoren und Mähdrescher liefern können. Das hätte die Produktion gesteigert und man hätte die agraischen Produkte dann schlicht dort kaufen können. Aufgrund des Gefälles in der Produktivität, wären diese billig zu haben gewesen.)
Die Frage, wie groß ein Staat sein muss, ist eine Frage, die einer rationalen Diskussion zugänglich ist. Bismarck ging davon aus, dass ein Staat sehr groß sein muss, wofür es keine rationale Begründung gibt. Die drei Kriege, hätte er sich sparen können. Eine Zollunion unter demokratischen Vorzeichen hätte gereicht. Wem da im berliner Tierpark gehuldigt wird, ist ein Rätsel.
Die Naturwissenschaften beteiligen sich intensiv an einer Debatte, wie etwas gelingen kann. Die Volkswirtschaftlehre hat den Spitznamen dismal science, trostlose Wissenschaft. Das stammt noch aus der Liga Ricardo / Malthus. Die Geisteswissenschaften beschäftigen sich überwiegend mit Problemen, wobei nur ein geringes Interesse besteht, diese auch mal tatsächlich zu lösen. Das kann man ändern. Der Geist hat gegenüber der Technik den unschlagbaren Vorteil, dass er ganze große Entwürfe von Ankunft quasi mühelos entwerfen kann. Das macht Ernst Bloch in seinem Werk das Prinzip Hoffnung. Da wird die Marschrichtung vorgegeben. Ernst Bloch wiederum läuft unter „marxistische“ Philosophie, wobei kein Mensch weiß, was das konkret bedeuten soll. Der Marxismus geht von Klassen aus, die ein einheitliches Bewusstsein haben: Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Diese These konnte noch nie empirisch belastbar bewiesen werden. Bei Bloch geht es sehr explizit und immer wieder in x-Varianten erläutert, um das individuelle Glück. Der Geist kann aber Utopien entwerfen, wo bei allen der Bär steppt, ohne dass jemand hinten runter fällt. Das wäre mal ein hübsches Programm.