Geisteswissenschaftler sind auf ihre Art ein Faszinosum. Sie haben den Autor schon seit frühester Kindheit an fasziniert. Wenn ein rundlicher und gemütlicher Phyniker vor einer Klasse über das Griechentum dozierte und einen durch die Micky Mouse Lektüre verursachten Sprachverfall konstatierte, was im Übrigen gar keiner las, en vogue war das kleine gallische Dorf, das gar nicht genug kriegen konnte von den Römern, dann hat den Autor das irgendwie fasziniert. Irgendwie war ihm damals schon intuitiv klar, irgendwas ist hier komisch, wenn er auch nicht hätte erklären können was. Weil er das Problem gar nicht so richtige erfasste, quittierte er irgendwann die Aufforderung, dass man sich in die Psyche dieses schwierigen Mannes, es war Heinrich von Kleist, hineinversetzen solle mit der Bemerkung, dass das, was morsch ist, brechen sollte. Das fand er originell, das hatte er irgendwo aufgeschnappt, aber eigentlich gar nicht so richtig verstanden, das war irgendwie „intuitiv“ anziehend bzw. beschäftigend. Die Wirkung war allerdings gewaltig. Da wurde dem Autor zum ersten Mal klar, was Authentizität bedeutet, was es also bedeutet, wenn ein geistiges Artefakt einschlägt wie eine Bombe und nachhaltig erschüttert. Er könnte zwar bis zum heutigen Tag nicht so richtig erklären, was authentisch ist, bzw. müsste es blumig umschreiben, aber er hat eine absolute Gewissheit, dass es so was gibt, denn die Wirkung auf das Studienrad war gewaltig. Also mit Gespräch beim Direktor und allem drum und dran. Vermutlich wäre das nicht passiert, wenn der Autor Micky Mouse gelesen hätte, aber konzediert sei, dass er mit Micky Mouse diese Erfahrung nie gemacht hätte. Das Ergebnis ist reproduzierbar, ähnlich allergisch reagierte ein anderer Phyniker, der ziemlich langatmig über José de Espronceda referierte, auf das Statement von Karl Max.
Die Tradition aller toten Geschlechter
lastet wie ein Alb auf den Gehirnen der Lebenden
Dieser Phyniker schreibt jetzt viele Studien über Don Quijote mit langen Literaturlisten, die allerdings niemanden interessieren. Da hilft auch der mediale Hype anlässlich des 500sten Todestages von Cervantes nix, auch wenn der Quijote eigentlich anschlussfähig ist. Der Autor hat das mal nachgedichtet, allerdings den Schluss geändert. Die Hirten von Andalusien versammeln sich unter dem Banner der Sin par Dulcinea del Toboso und stecken den Pfarrer in den Käfig.
Zugegebenermaßen wird ein solcher Frontalangriff als Beleidigung empfunden, was er de facto ja auch ist. Die Angesprochenen reagieren verständlicherweise empört, wobei die Empörung Wellen schlug, denn sie fühlten sich ganz grundlegend und als Gruppe in Frage gestellt, was ebenfalls zutrifft.
Allerdings handelt es sich um einen relevanten Tatbestand, der in der Literatur auf allen Ebenen x-Mal diskutiert wird. Einen Profi sollte so was nicht unvorbereitet treffen, zumal ihm klar sein muss, dass er an der Marketingfront noch viel brutaler mit solchen Fragen konfrontiert wird und insbesondere die Absolventen solcher Studiengänge, auch als Lehrer, mit solchen Fragestellungen konfrontiert werden. Das ist zwar für Lehrer noch nicht existenzbedrohend, weil ihre Kundschaft gezwungen werden kann, das Angebot anzunehmen, so dass über den Sinn nicht weiter nachgedacht werden muss und an der Didaktik auch nicht gearbeitet werden muss, allerdings kann die Gesellschaft, die Sinnhaftigkeit in Frage stellen, womit es dann zum politischen Problem wird. Wenn die Geisteswissenschaften sich weigern, was sie tatsächlich tun, diese Themen spielen an den Universitäten keine Rolle, an der Debatte teilzunehmen, müssen sie hinnehmen, dass über sie diskutiert wird. Das kann dann dazu führen, dass die Politik die Geisteswissenschaften finanziell austrocknet, was wahrscheinlich sinnvoll wäre, denn wenn sie selber die Relevanz ihres Faches nicht darstellen können oder wollen, dann macht das nicht viel Sinn.
Die staatliche Alimentierung dient derzeit nur dazu, den Kanon im öffentlichen Raum zu halten und damit erfahrbar zu machen, wobei letztlich unklar bleibt, wie schwer dieses Argument wiegt, denn auch die geistigen Artefakte, die nicht Gegenstand des in Deutschland staatlich alimentierten Kanons sind, verbleiben im Raum. Zumindest dem Namen nach kennt jeder Dostojewsky, Tolstoi, Poe, Joan Miró, Kandinsky Michelangelo, Brahms, Cervantes etc.. Bei dem Teil der Bevölkerung, der diese Namen nicht kennt, bräuchte man ganz ausgefeilte didaktische Methoden, um die jeweiligen Inhalte zu vermitteln.
Professionell würde auch bedeuten, dass Absolventen solcher Studiengänge zielgruppengerecht Inhalte aufbereiten können. Seminararbeiten, Bachelorarbeiten, Masterarbeiten etc.. sind immer die gleiche Textsorte, mit den immer gleichen Phrasen, dem immer gleichen Aufbau und den immer gleichen Adressaten. Im Berufsleben haben die Absolventen es mit unterschiedlichen Adressaten zu tun. Können sie sich darauf nicht einstellen, werden sie scheitern.
Studenten würden mehr lernen, auch über technische Zusammenhänge, die zunehmend an Bedeutung gewinnen, wenn sie zu bestimmten Themen, Marcel Proust, Jean Paul Sartre, Jean Paul, Violeta Parra, Eduardo Auto oder was auch immer eine Website aufbauen. Inhaltlich würde es reichen, wenn sie von den jeweiligen Inhalten begeistert sind. Die spannende Frage ist dann nur, ob sie das auch so darstellen können, das andere begeistert sind. Ist dieses Ziel erreicht, können wir uns ausgedehnte Überlegungen zur Interpretation schenken.