Und du wartest, erwartest das Eine,
das dein Leben unendlich vermehrt;
das Mächtige, Ungemeine,
das Erwachen der Steine, Tiefen, dir zugekehrt.
Damit die Menschheit findet, was sie offensichtlich sucht, kann man ein bisschen nachhelfen. Auszüge aus der Ästhetischen Theorie von Adorno, Wir amüsieren uns zu Tode von Neil Postman, Auszüge aus dem Prinzip Hoffnung von Ernst Bloch etc.. wären eher in der Lage, mal grundsätzliche Dinge zu klären, als der Kalauer vom sapere aude. Gewichtiges zu dem Thema finden wir auch bei John Stuart Mill, On Liberty. Der stellt schon zutreffend fest, dass mit dem bloßen Gewähren der Freiheit nicht viel erreicht ist. Freiheit macht erst dann Sinn, wenn es jemanden gibt, der sie aktiv ausschöpfen will, was ja wiederum, wie eben fast alles, in Goethes Faust steht.
Des Menschen Tätigkeit
kann allzu leicht erschlaffen,
er liebt sich bald die unbedingte Ruh;
Drum geb ich gern ihm den Gesellen zu,
Der reizt und wirkt
und muß als Teufel schaffen.
(Da es manche Leute beschäftigt: Das erklärt den Ausspruch Mephistopheles: Ich bin ein Teil von jener Kraft / die stets das Böse will und stets das Gute schafft. Er will Faust in den Abgrund treiben, indem er in durch alle Typen von Aberrationen führt, erreicht aber letztlich nur das Gegenteil. Letztlich sucht Faust nach der großen Ankunft und vorher gibt er keine Ruh.)
Es reicht also nicht, Freiheit passiv zu gewähren, man muss sie aktiv fördern. Inwiefern die Kultusbehörden bzw. die jeweiligen Fachbereiche sich dessen bewusst sind und inwiefern sie sich im Klaren darüber sind, dass dies die Aufgabe der Geisteswissenschaften ist, bzw. eine verdienstvolle Aufgabe sein könnte, worin man auch Steuergelder investieren kann, ist unklar. Anzunehmen ist, dass sie schlicht überhaupt keinen Plan haben, was überhaupt erreicht werden soll. Wer derartig blumig von Orientierung, Wertevermittlung, humboldtschen Bildungsideal, ästhetischem Bewusstsein etc. schwafelt, der hat offensichtlich keinen Plan. Vermutlich dürfte die Tatsache ausschlaggebend sein, dass ein Bildungskanon so fest verankert ist, dass er einfach gar nicht mehr hinterfragt wird. Er wird selbst dann nicht hinterfragt, wenn alles was man blumig und assoziativ mit ihm verband, so gnadenlos gescheitert ist wie in der deutschen Geschichte. Die Tatsache wird zwar in Tausenden von wissenschaftlichen Studien, teilweise sehr detailliert unter Bezugnahme auf bestimmte Fakultäten an bestimmten Universitäten, untersucht, aber die message kommt nicht an.
Klare Begriffe, unter denen sich jeder was vorstellen kann, würden den Blick auf die Realität schärfen und damit die Erfahrungsfähigkeit vertiefen. Ob die Dinge bedeutsam sind oder nicht, hängt von der Perspektive ab, von der aus sie betrachtet werden. Gesellschaften sind anfällig für Ideologien, Gesellschaften können dadurch manipuliert werden, dass entscheidende Informationen, die zur Beurteilung von Prozessen notwendig sind, fehlen und nicht mal bewusst ist, dass sie fehlen. Wenn die öffentlich, rechtlichen Sender mehr Geld investieren für die spektakuläre Aufbereitung von Informationen als für die gründliche Recherche, wenn der Bekanntheitsgrad und nicht die Kompetenz über die Teilnahme an einer Talkshow entscheidet, wenn nicht die relevanten Fragen diskutiert werden, sondern die Fragen, auf die sich die Öffentlichkeit geeinigt hat, dann haben wir eine Nachrichtenindustrie, die mit ähnlichen Mechanismen gesteuert wird, wie die Kulturindustrie. Wir haben Infotainment. Wenn in den Massenmedien täglich die Suada vom manipulativen Charakter des Internets gepredigt wird und unerwähnt bleibt, dass die Presse in der Hand weniger Unternehmen ist, Holtzbrink, Springer, Waz, DuMont, die weniger Interesse an der relevanten Nachricht haben als an der ökonomisch wertvollen, das heißt sich mehr für die Eskapaden der Ehefrauen spanischer Thronfolger interessieren, als für die Zinspolitik der EZB, dann ist das Internet das Korrektiv. Das Problem scheint aber bei der Politik nicht angekommen zu sein. Die lebt noch in den seligen Zeiten, als noch jeder jeden Morgen seine Tageszeitung bekam, die ihre Informationen von DPA, AFP oder Reuter geliefert bekam und die Bildzeitung mit 6 Millionen Auflage pro Tag noch den Bundeskanzler wählte.
Was Bildung ist, ist einfacher dadurch darstellbar, durch das, was sie nicht ist. Sie ist nicht interesseloses Wohlgefallen. So was gibt es vielleicht, wenn man in den strahlend blauen Himmel schaut. Sie ist kein Abglanz des Wahren, Schönen und Guten, das als Idee vorliegt und noch weniger leistet sie Orientierung oder vermittelt irgendwelche Werte. Wenn Schüler das gar nicht kapieren, dann kann man Rap Texte analysieren. Da wird die Diskrepanz zwischen Schein und Sein noch getoppt. Wenn sich deutsche Mittelstandskids in einer Musikrichtung von Randgruppen in amerikanischen Ghettos gespiegelt sehen, dann sollten sie vielleicht mal den Joystick loslassen und sich mit der real existierenden Wirklichkeit auseinandersetzen, die ist eigentlich wesentlich spannender, verlangt aber, dass man den Fuß vor die Haustür setzt. Dem Tüchtigen, ist diese Welt nicht fremd, wusste schon Goethe. Mag ja sein, dass man bei Günter Jauch 100 000 Euro verdient, wenn man den Unterschied zwischen battle rap und gangsta rap kennt, aber was die Relevanz angeht, ist das so spannend wie der Unterschied zwischen Guelfen und Ghibellinen im Florenz des Mittelalters. Die Mucke ist ziemlich spießig und die Phantasien von Bushido sind in etwa so cool wie die Phantasien des Kleinbürgers nach der dritten Flasche Bier. Da ist nichts von Aufbruch, wo größere Ziele ins Blickfeld kommen, da herrscht gähnende Langeweile. Der Rap und die Geisteswissenschaften sind sich ziemlich ähnlich, beide leben in einer Blase.