Ist der Inhalt eines geistigen Artefaktes reine Intuition, dann lässt sich schlicht gar nichts darüber sagen. Eine Wissenschaft vom Geist kann es von daher, insofern es darum geht, den Inhalt einer geistigen Schöpfung zu erfassen, schlicht nicht geben. Weder Schiller noch Lenau hätten an irgendeiner Universität mit ihren Gedichten promovieren können, obwohl es darüber inzwischen einige Tausend Doktorarbeiten gibt, die allerdings niemanden interessieren. Damit die Geisteswissenschaften also Wissenschaft sein können, müssen sie sich mit dem beschäftigen, was sich irgendwie durch Fakten darstellen lässt, auch wenn diese Fakten lediglich aus Zitaten bestehen. Wunderschöne Doktorarbeiten, Hunderte und Tausende, könnte man z.B. über die Stellung Schillers zur französischen Revolution schreiben und dabei irgendwie die Ode an die Freude gleich mitverwursten. Man könnte auch ein paar Hundert Doktorarbeiten über Schillers Wallenstein schreiben und peinlich genau nachprüfen, ob die historischen Fakten korrekt dargestellt sind. Das würde aber keinen Aufschluss geben über Verse dieser Art.
Ja, der verdient, betrogen sich zu sehn,
Der Herz gesucht bei dem Gedankenlosen!
Mit schnell verlöschten Zügen schreiben sich
Des Lebens Bilder auf die glatte Stirne,
Nichts fällt in eines Busens stillen Grund,
Ein muntrer Sinn bewegt die leichten Säfte,
Doch keine Seele wärmt das Eingeweide.
Was die Wirkung angeht, ist Wissenschaftlichkeit schlicht egal. Führt die Wissenschaftlichkeit dann auch noch zu Beliebigkeit, weil die Auswahl der Themen durch keine Relevanz mehr verankert ist, dann wird es obendrein teuer und für die Beteiligten trostlos. Das ist der Unterschied zu den Natur- und Ingenieurswissenschaften. Die Front der Natur- und Geisteswissenschaften bewegt sich langsam nach vorne, die Fortschritte sind empirisch belastbar darstellbar. Die Intuition ist da maximal ein Geistesblitz. Allerdings haben die Natur- und Ingenieurswissenschaften ein massives Interesse daran, die Front nach vorne zu schieben, denn nur dann kann man damit Geld verdienen, in Lehre, Forschung und Anwendung. Ist hier kein Erfolg zu verzeichnen, dann macht es die Konkurrenz. Der Horizont der Natur- und Ingenieurswissenschaften ist zwar eng, ins Blickfeld geraten nur die Probleme, die sich unmittelbar aus dem jeweiligen Stand der Forschung und Technik ergeben, aber das hat bald noch mehr Romantik, als das, was wir in den Geisteswissenschaften finden.
Man müsste eigentlich vermuten, dass die Geisteswissenschaften mit derselben lockeren Hand Entwürfe großer Ankunft hinwerfen wie die Popkultur oder Hollywood, wo das happy end ja Programm ist, schließlich nennt man das auch Traumfabrik. Das ist aber nicht der Fall, in keinem Kanon dieser Welt, egal ob es sich um den spanischen, italienischen, englischen, französischen, deutschen, portugiesischen Kulturraum handelt. Der Kanon erzählt von Pleiten, Pech und Pannen. Ob Emilia Pardo Bazán, Benito Perez Galdos, Leopoldo Alas, Cesare Pavese, Alberto Moravia, Jane Austen, Joseph Conrad, Herman Melville, Emil Zola, Stendhal, Flaubert, Thomas Mann, Hermann Hesse, Heinrich Böll, Aluisio Azevedo, Bernardo Guimarães etc. etc. alles ein einziges Jammertal. Wahrscheinlich ist das weltweit so. Arundhaty Roy beschreibt das indische Elend, Nagib Machfus das ägyptische und Orhan Pamuk bzw. Yaşar Kemal das türkische. Wahrscheinlich ist das deshalb so, weil sich Dichter und Denker zunehmend, zumindest seit dem 19. Jahrhundert, als Kritiker der Gesellschaft verstehen, weil sie mit ihren Büchern aufrütteln wollen und folglich eine bestimmte Perspektive einnehmen. Gelingen hat man in die Literatur für Kinder verschoben. Es würde bei den meisten Büchern auch nicht schwerfallen, die Teile umzudichten. Tony Buddenbrook hätte ja auch aus den starren Konventionen ausbrechen können und Morten Schwarzkopf heiraten können. Thomas Buddenbrook hätte mit seinem Geld etwas Vernünftiges machen können, anstatt sinnfrei die ganze Knete in Ziegelsteinen zu verbauen. Literaturwissenschaftler werden das jetzt ausgiebig anhand von Fakten analysieren. Leute, die das unvoreingenommen lesen, würden schlicht sagen, die family Buddenbrook hatte eine Meise auch wenn es dafür den Nobelpreis gab. Interessant sind die Kommentare zu den Buddenbrooks bei Amazon. Die Wertschätzung des Werkes ergibt sich weitgehend aus dem Kanon, zumindest wird dessen Zugehörigkeit zum Kanon immer wieder genannt, obwohl damit eigentlich nichts Inhaltliches gesagt wird und die Bedeutung für den jeweiligen Kommentator auch nicht ersichtlich ist. Im Vordergrund steht der Wunsch, sich einer bestimmten Gruppe zugehörig zu fühlen.
-Absolut gut, wenn man bedenkt, dass Mann diesen Roman mit Achtzehn [eigentlich 25, Anm. des Verfassers] Jahren geschrieben und dann noch dafür den Literaturnobelpreisträger bekommen hat! Ein Muss!
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-Das hier ist ein Zeugnis unserer Vergangenheit. Lesen. Jeder. Bitte.Nicht jedem gefällt Thomas Mann. Sein Stil. Seine Art. Seine Ideen. Sie haben aber geprägt und tun das noch heute. Nicht umsonst ist Buddenbrooks immer mal wieder Teil der Abitur – Leistungskurs – Klausuren im Fach Deutsch.Aber auch über das Geknechte in Schulräumen kann man hier das Leben einer alten, deutschen Familie im Zuge der Industrialisierung erleben. Ist interessant, bildet und kostet nicht die Welt.
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-Einfach ein Klassiker! Sollte man mal gelesen haben – teilweise ist es natürlich etwas zäh, aber wenn man erst mal die Familienkonstellation durchblickt hat, ist es spannend und auch unterhaltsam!