Man eilt zerstreut zu uns,
wie zu den Maskenfesten,
Und Neugier nur beflügelt jeden Schritt;
Die Damen geben sich und ihren Putz zum besten
Und spielen ohne Gage mit.
Der Direktor im Vorspiel auf dem Theater hat das Kernproblem voll begriffen. Das ist ein echter Marketingfachmann. Was die Leute erst mal ins Theater treibt, ist die bloße Neugier und die Damen geben heute nicht nur ihren Putz zum besten, sondern machen auch gleich noch ein Selfie. Trotzdem können sie etwas finden, was sie gar nicht gesucht haben.
Zufällig naht man sich, man fühlt, man bleibt
Und nach und nach wird man verflochten;
Damit ist immer noch nicht gesagt, was eigentlich passiert, wenn man verflochten wird. Im Folgenden wird es lediglich vage umschrieben:
In bunten Bildern, wenig Klarheit,
viel Irrtum und ein Fünkchen Wahrheit.
Vermutlich wird hier die Welt etwas uminterpretiert, so dass sie hübscher aussieht, was allerdings voraussetzt, dass es überhaupt etwas gibt, was sich uminterpretieren lässt. Wenn ein jeder das, „was er im Herzen trägt“ sieht, und dass umgedeutet wird, dann muss irgendwas im Herzen sein. Die lustige Person gibt sich ja als der Ultrapragmatiker, als Realist, als Gegenpool zum Dichter, allerdings sind seine Erkenntnisse ähnlich intuitiv gewonnen, wie die des Dichters. Wir können letztlich nicht sagen, was die Leute suchen, aber ganz allgemein könnte man sagen, dass die Leute nach Bedeutung, Sinn und Erfahrungsdichte suchen. (Wenn sie nicht gerade jahrelang hinter einem gameboy abhängen. Machen sie das allzu lang, dann geht die Erfahrungsschicht verloren, die für den Zugang unerlässlich ist.) Wir wenden also wieder unseren beliebten Trick an. Wir wissen letztlich nicht, was Eichendorff mit seinem Gedicht sagen wollte, aber da das Teil so berühmt ist, muss es von Millionen Leuten intuitiv nachvollziehbar sein, was wiederum für Authentizität spricht, was wiederum das Kriterium für Wahrheit ist.
Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.
Eichendorff dreht die Sache zwar um, es ist nicht allein der Betrachter, der den Dingen eine Bedeutung gibt, sondern die Dinge haben schon von sich aus eine Bedeutung, auch wenn sie ohne den Betrachter, der sie zum Singen bringen kann, nicht erwachen. Allerdings will der Betrachter, dass die Welt zu singen anfängt, andernfalls braucht er das Zauberwort nicht. Wir haben hier philosophisch betrachtet einen völligen Paradigmenwechsel. Bei Hegel bekommt die Welt erst eine Bedeutung, wenn der Weltgeist sich entfaltet, also in einem Geschichtsprozess. Bei Eichendorff brummt, summt und singt sie schon immer vor sich hin, man muss nur hinhören, bzw. zuschauen. Didaktisch gesehen ist das jetzt natürlich noch keine große Hilfe, denn Eichendorff teilt uns leider nicht mit, wie man das Zauberwort findet. Das Gedicht hat also eine fiese Logik. Wer das Zauberwort bereits gefunden hat, versteht das Gedicht, wer es aber noch nicht gefunden hat, alle diejenigen also, für die die Welt noch so stumm ist wie ein Fisch, verstehen auch das Gedicht nicht.
Bei der Gamerszene ist dann die Vorerfahrung auf eine homöopathische Dosierung geschrumpft, was allmählich zum Problem wird. Sehr marktwirtschaftlich geprägte Unternehmen versuchen jetzt durch mehr gamification neue Zielgruppen zu erschließen, gamification ist das Lieblingswort der start up Szene, die in Werbung investierten Summe sind z.B. bei babbel GEWALTIG. 50 Millionen Euronen pro Jahr. Da lernt man Sprachen mühelos und in drei Wochen durch gamification. Der unvoreingenommene Betrachter fragt sich jetzt nur, wozu? Unabhängig davon, dass wir es bei Sprachen tatsächlich mit etwas zu tun haben, was verstanden und gelernt werden muss, sprachdidaktisch also gamification schwierig ist, hier hat der Herr vor den Preis den Schweiß gesetzt, lernt der normale Mensch eine Sprache nur, weil ihn der Kulturkreis hinter der Sprache anzieht, der ist aber hinter dem Joystick nicht erfahrbar.
Auch wenn Adorno das Gegenteil behauptet, es ist ziemlich klar, dass der Geist nur über die Unterhaltung in die Welt kommt, zumindest wenn man unter Geist mehr versteht, als das interesselose Wohlgefallen, was ja, wenn man das ganze philosophische Brimborium weglässt, im Grunde reine Unterhaltung ist. Ob im Schönen die Idee scheint oder nicht, ist relativ egal. Das interesselose Wohlgefallen ist an und für sich da und rekurriert nicht auf die Erfahrung des betrachtenden Subjekts. Das mag zutreffen für die Kunst der Renaissance oder für die abstrakte Malerei von Franz Marc, auch wenn es genau die abstrakte Kunst ist, die wohl nicht so ohne weiteres a priori, das heißt ohne Vorerfahrung verstanden wird, denn sie kämpft bzw. kämpfte in der Vergangenheit mit weit verbreitetem Unverständnis, was ja nicht der Fall wäre, wenn eine Vorerfahrung entbehrlich wäre. Mal ganz abgesehen davon, dass ein Teil der abstrakten Malerei psychische Zustände reflektiert und damit auf Vorerfahrungen zurückgreift.