Der Bildungsbegriff der Geisteswissenschaften ähnelt dem Bildungsbegriff, der den zahlreichen Quizsendungen à la „Wer hat am meisten Müll im Hirn“ zugrunde liegt. Die Frage nach dem Namen des Erzählers im Doktor Faustus von Thomas Mann ist da ähnlich relevant oder irrelevant wie die Frage, in welchem Länderspiel Maradona mit der Hand den Ball ins Tor bugsierte oder wo Howard Carpendale geboren wurde. Wird Bildung gemessen wie die Wurst an der Wursttheke, spielt das Kriterium Relevanz keine Rolle mehr, dann haben sich die Geisteswissenschaften selber abgeschafft. Wird die Frage nach der Relevanz gestellt, stellt sich naheliegenderweise die Frage nach der Position, die man gegenüber der Gesellschaft einnimmt, denn hieraus ergibt sich die Relevanz. Nur wenn man bestimmte Entwicklungen als problematisch erachtet, bzw. bestimmte Entwicklungen begrüßt, sind bestimmte Fragestellungen relevant. Wer gar keine Fragen stellt, bzw. nur Fragen, die sich außerhalb der Blase schlicht nicht stellen, erwartet auch keine relevanten Antworten. Wem alles egal ist, der hat eben keine Präferenzen. Wer z.B. davon ausgeht, dass Dichtung nicht von der außersprachlichen Wirklichkeit getrieben wird, sondern sich aus der Intertextualität ergibt, der wird ein Problem mit der real existierenden Wirklichkeit haben, denn dort werden Antworten auf ganz konkrete Fragen gestellt, die ziemlich grob und hart gestellt werden. Intertextualität bedeutet eben Beliebigkeit. Eine Hirnblähung à la „Die Darstellung kontrastiver Intertextualität in Alltagstexten. Eine textlinguistische Untersuchung unter
Berücksichtigung der Frame-Semantik“ ist eben hochgradig irrelevant und weder der arme Autor noch derjenige, der das korrigieren muss, sind begeistert und außer diesen Zweien ist an dem Vorgang niemand beteiligt. Etwas Sinnloses zu tun, das nicht mal Spaß macht, ist etwas gaga. Den Autoren solcher Studien meist gar nicht bewusst, bedeutet Intertextualität die Produktion von Worthülsen, also von Begriffen, denen das fehlt, was den Begriff nun mal ausmacht, die Erfahrung.
Der Blick der Geisteswissenschaften auf die Gesellschaft kann also, so die Inhalte nicht beliebig sind, gar nicht wertfrei sein, wobei man aber nur dann Stellung zu gesellschaftlichen Tendenzen nehmen kann, wenn eine gewisse Lebens- und Berufserfahrung außerhalb der Blase vorhanden ist, was aber bei Vertretern dieser Fachrichtung eben fast nie der Fall ist. Die Beliebigkeit ist ziemlich geistlos und ziemlich langweilig.
Was uns dann zur nächsten Frage führt. Was passiert, wenn der Geist abwesend ist?