Da steht er. Im Garten, der fast verwunschen wirkt, der Mittelpunkt prächtig sommerlich, herbstlichen Blühens. Die reife Frucht, rot leuchtend im tiefdunklen Blühen der vollen Blätter, Fülle versprechend und Ernte. Mühelose Ernte, ein Segen gespendet aus leichter, großzügiger Hand. Die Frucht, blutroter Ernst und tiefe Verheisung, sie wird fallen, wie so manche fiel um wieder zu erwachen. Vergehen um wieder zu erwachen im ewigen Kreislauf unter immer demselben Himmel, Kreislauf eingebettet in die Ewigkeit des Himmels, der nur die Farbe ändert, um immer der gleiche zu bleiben.

 Auf Christa Wolf trifft die Bemerkung Schopenhausers zu. Bei manchen Autoren reicht es, dem Stil Aufmerksamkeit zu schenken, um zu wissen, ob sich die Lektüre lohnt. In diesem Fall ist der Stil tatsächlich eine Maske, er zeigt nicht, wer Christa Wolf ist, sondern wer sie gerne wäre. Vermutlich werden aber in autoritären Systemen mehr kleppernde Texte produziert, weil das Individuum versuchen wird, sich irgendwie umständlich mit dem System zu arrangieren. Das kann dadurch passieren, dass man sich auf intellektueller Ebene damit auseinandersetzt oder sich einredet, dass in der Kleinkariertheit eine höhere Vernunft steckt. Ersteres ist eigentlich unnötig, denn dass der Marx Quark reine Ideologie war, der lediglich dem Machterhalt diente ist offensichtlich. Wenn aber die direkte Konfrontation ins Gefängnis führen würde, bzw. mit Berufsverbot und ähnlichem geahndet würde, dann wird die Auseinandersetzung subtiler geführt. Das könnte den skurrilen Stil auch erklären. Der Dunkelsprech erhöhte die Chancen, durch die Zensur zu kommen. Immerhin hat es Christa Wolf geschafft, von der Stasi argwöhnisch beäugt zu werden, was sie wohl kaum mit ihren Büchern allein geschafft hätte, zumindest nicht mit Kassandra. Ähnliches nur eben umgekehrt dürfte den Hype im Westen erklären.

Authentizität im Stil, also wenn einer spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, können wir in autoritären Systemen nicht erwarten, weil sich dann die Individuen bis zur Unkenntlichkeit verbiegen werden. Authentizität können wir auch bei Geisteswissenschaftlern nicht erwarten, denn auch sie sind auf einen Stil angewiesen, der Bedeutungsloses bedeutsam klingen lässt, also viele Phrasen vom Typ „dieses Thema rückte erst in neuerer Zeit in den Fokus der Forschung“, „diese Arbeit kann das Thema nur vorläufig behandeln und muss durch weitere Forschungen ergänzt werden“ etc.. Solche Formulierungen suggerieren, dass man es mit einem ganz bedeutenden Gegenstand zu tun hat, der die Forschung noch die nächsten zehn Jahre beschäftigen wird, dass um die Wahrheit in geradezu titanischer Manier gerungen wird. Würde jemand schlicht sagen, dass das Thema keine Sau interessiert, dann würden ihn seine Kollegen verdächtigen, das öfter mal zu finden, was die Sinnhaftigkeit weiterer Forschungen stark einschränken würde.

Der Leser kann sich jetzt fragen, warum bei Theodor Storm und bei den Toten Hosen der Stil Authentizität verbürgt, während er bei Christa Wolf im Leerlauf dreht. Das ist in der Tat die Tausend Dollar Frage. Die Authentizität ist in beiden Fällen nicht durch die Worte verbürgt, sondern durch den Stil, aber nur der Stil, der durch Erfahrung gedeckt ist, schlägt dann ein wie eine Bombe. Richtig ist, dass schon eine ganze Elefantenherde über die Heide traben muss, damit da aus der Erde dumpf irgendwas mitwandert, aber die Stimmung ist nachvollziehbar, auch wenn sie nicht durch die Worte an sich geschildert wird. Es gibt Tage, wo man sich Unendlichkeit wünscht, auch wenn der Tag nur ein Moment war, ein Lächeln. Damit der Stil Herz zu Herzen schafft, muss er authentisch sein.

Ein anderes Beispiel derselben Liga ist Carl Menger. Carl Menger war der Privatlehrer des Kronprinzen Rudolf von Österreich-Ungarn. Wer die Schreibe von Carl Menger durchliest, versteht dann auch, warum dieser sich 1889 erschossen hat. Bei der Lektüre von Carl Menger muss man einfach depressiv werden. Carl Menger gilt als Begründer der österreichischen Schule der Ökonomie, also Hayek, Mises und Co. Ökonomisch ist das Geschriebsel blanker Unsinn. Das Problem ist ein grundsätzliches. Carl Menger kapiert den Unterschied nicht zwischen einem reinen Tauschmarkt, bei dem eine gegebene Menge lediglich getauscht und der Markt anschließend geräumt sein muss, und einem Markt, wo Waren produziert werden. Weil er das nicht kapiert, kommt er auf alle möglichen skurrilen Ideen, die uns aber im Moment nicht interessieren. Das Geschriebsel tönt dann so.

Nicht die Folge des Leichtsinnes oder der Unfähigkeit der Practiker kann es demnach sein, wenn dieselben, unbekümmert um die bisherigen Entwicklungen unserer Wissenschaft, bei ihrer wirthschaftlichen Thätigkeit lediglich die eigenen Lebenserfahrungen zu Rathe ziehen, nicht die Folge eines hochmüthigen Zurückweisens der tieferen Einsicht, welche die wahre Wissenschaft dem Practiker über die den Erfolg seiner Thätigkeit bestimmenden Thatsachen und Verhältnisse bietet. Der Grund einer so auffälligen Gleichgültigkeit kann vielmehr nirgends anders gesucht werden, als in dem gegenwärtigen Zustande unserer Wissenschaft selbst, in der Unfruchtbarkeit der bisherigen Bemühungen, die empirischen Grundlagen derselben zu gewinnen.

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