Im ersten Semester lernen Studenten der Volkswirtschaftslehre, dass es Wissenschaften Stücker drei gibt: Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften, Sozialwissenschaften. Das wird gelehrt, weil selbst Vwl Professoren, die eigentlich eher schlichte Gemüter sind, nachweisen wollen, dass sie gebildet sind, also so eine Einführung in die Wissenschaftstheorie finden die einfach schick. (In späteren Semestern kommt dann noch Popper dazu. Da werden ein paar Sprüche auswendig gelernt und abgefragt. Anschließend sind alle davon überzeugt, dass sie sich mit ganz außerordentlich bedeutsamen Dingen beschäftigt haben.) Da lernen die Studis, dass es nomothetische Wissenschaften gibt, die nach ewigen Gesetzen suchen, also z.B. Physik, und idiographische Wissenschaften, als
z.B. Romanistik, die ein Phänomen in seiner Einzigartigkeit verstehen wollen. Die Sozialwissenschaften sind dann irgendwas zwischen Baum und Borke. Die Vwl, also die Volkswirtschaftslehre, gehört natürlich zu den nomothetischen Wissenschaften, findet also die ewigen Gesetze, die Prognosen der wirtschaftlichen Entwicklung mindestens bis in dritte Jahrtausend erlauben. Das ist auch logisch, denn wäre dem nicht so, hätten sie ja das gleiche Problem wie die Geisteswissenschaften: Cui bono, wem nützt es. Nomothetisch heißt hier konkret, dass sich ein Gesetz mathematisch formulieren lässt, also irgendwas in der Art p = 40 – 1/2 x, soll heißen, wir essen mehr Schokolade, je billiger die ist. Das ist natürlich alles phänomenaler Blödsinn. Einen Gleichgewichtspreis haben wir zwar immer, aber in dem einen Fall haben wir ihn, weil ab einem gewissen Punkt die Leute ihre Geld lieber in Kartoffelchips als in Schokolade investieren, weil der Grenznutzen mit zunehmendem Konsum sinkt und im anderen Fall stellt sich der Gleichgewichtspreis ein, weil die Leute das Geld für die Schüssel Reis nicht mehr haben und verhungern. Das sind zwei sehr unterschiedliche Situationen.
Man kann natürlich nur ewige Gesetze finden, wenn überhaupt welche da sind und in der Physik gibt es tatsächlich jede Menge Zusammenhänge, die im Zeitablauf, über mehrere Milliarden von Jahren, stabil sind. Wenn sich die Gravitationskonstante ändert und der Mond auf die Erde und beide zusammen auf die Sonne knallen, dann ist ganz definitiv Feierabend oder mit Heidegger, das Nichts nichtet dann gewaltig, das ist nicht nur deprimierend, sondern tödlich. Die Naturwissenschaften sind also nicht deswegen Naturwissenschaften, weil sie Gesetze suchen, sondern weil ihr Erkenntnisobjekt durch stabile Zusammenhänge charakterisiert ist, also Gesetze da sind. Das nomothetische Vorgehen ist nicht das Konstituierende, sondern die Folge. Was nicht da ist, kann man auch nicht finden. Erlaubt ein Gesetz eine Prognose, dann ist es nach Popper zumindest mal falsifizierbar formuliert, kann also mit der Realität in Konflikt geraten und kann solange als richtig oder wahr durchgehen, wie noch keine Situation vorliegt, die mit dem Gesetz nicht vereinbar ist.