Über den Geist, den Ungeist, den Zeitgeist, den Weltgeist lässt sich jetzt ganz geistreich und geistvoll parlieren. Der nicht geistlose Leser erfasst das sofort. Manche Leute würden z.B. sagen, dass der Ungeist sozusagen das Gegenteil von Geist ist, das Präfix un- verweist ja auf die Abwesenheit des Bezeichneten. Wenn etwas unmöglich ist, dann ist es nicht möglich, wenn jemand ungebildet ist, dann meint man, dass er keine Bildung hat, also keinen Dosengeist hat. Jemand der bewusstlos ist, hat eben kein Bewusstsein. (Wobei die Mediziner da pragmatischer sind als die Philosophen.) Beim Ungeist wissen wir allerdings gar nicht, ob der Geist da wirklich abwesend ist. Pragmatisch gesehen müsste man hierfür erst mal wissen, was der Geist überhaupt ist. Weiß man das gar nicht, kann man gar nicht feststellen, ob er anwesend oder abwesend ist. Das ist nicht wie mit dem Camembert. Kühlschrank auf, kein Camembert drin, Camembert abwesend. So einfach ist das beim Geist nicht.
Schaut man im Internet nach, das macht man ja, wenn man nicht mehr weiter weiß, dann findet man Ungeist oft mit einem Adjektiv: barbarischer Ungeist. Das sind dann die braunen Horden. Unappetitlich, keine Frage, aber ungeistig fanden die sich nicht. Im Gegenteil, die waren der Meinung sie seien die Blüte des deutschen Geistes, die Inkarnation der Volksseele, wobei Seele wahrscheinlich so was Ähnliches ist wie Geist. Vermutet der Autor,denn sonst kann er sich keinen Reim aus dem ganzen Tohuwabohu machen. Also die Abwesenheit von Geist ist auch ein Geist. Finden zumindest manche Leute.
Man könnte meinen es gibt auch eine barbarische Geistlosigkeit. Gibt es aber nicht. Geistlos ist lediglich geistig mal kurzfristig weggetreten oder unwitzig. Also sowohl beim Ungeist wie auch bei der Geistlosigkeit ist der Geist abwesend, aber irgendwie nicht auf die gleiche Art. Da wir aber sowieso nicht wissen, was der Geist ist, ist das eigentlich egal. Auf jeden Fall, so denn Worte nicht vollkommen Schall und Rauch sind, was gar nicht so sicher ist, ist der Geist ein Formwandler, also so was Ähnliches wie Odo im Star-Trek Universum, denn sonst gäbe der Begriff Zeitgeist keinen Sinn. Der Zeitgeist ist ein Komposita, ein zusammengesetztes Wort. Der Geist ist das Determinatum, das Bestimmte, die Zeit, das Bestimmende. Also der Zeitgeist ist ein Geist, der von der Zeit bestimmt wird. Wahrscheinlich eher von den Umständen, von den ökonomischen, sozialen, kulturellen Bedingungen, aber Umstandsgeist klingt doof. Wir wissen jetzt zwar immer noch nicht, was der Geist ist, aber immerhin wissen wir, dass er sich verändert, das ist ja schon mal was, wenn auch nicht gerade viel.
Allerdings gibt es auch die Geisteshaltung. Wenn die sich aber im Zeitablauf ständig ändert, dann ist das charakterlos. Also die Geisteshaltung darf sich nicht ändern im Zeitverlauf, alles andere wäre gaga.
Last not least haben wir noch den Weltgeist, bei Hegel und so. Der Weltgeist ist aber nicht das, was sich irgendwie ausdrückt, im Gegensatz zur Geisteshaltung, die sich irgendwie, in Taten oder in Artefakten aller Art ausdrücken muss, damit man weiß, dass sie da ist, sondern eine Kraft. Der Weltgeist will sich nämlich entfalten in der Weltgeschichte, warum auch immer, und sorgt dafür, dass das Rad der Geschichte weiter rollt. Der Weltgeist ist sozusagen ein Motor. Popper findet jetzt natürlich, dass die These mit dem Weltgeist nicht empirisch belastbar formuliert ist und da hat er Recht. Aber der ganze Geist ist irgendwie so richtig sowieso nicht von dieser Welt.
Wir könnten anstatt Geist meistens auch Charakter oder Seele einsetzen. Die Probleme sind immer dieselben, wobei Geist, wir haben das bereits erwähnt, der treffendste Begriff ist, denn Geist ist besonders unscharf und für ein unscharfes etwas brauchen wir einen unscharfen Begriff. Damit wird dann alles erfasst, was in diesem Zusammenhang bedeutsam sein kann und bei näherer Überlegung noch bedeutsam sein könnte. Im Einzelfall ist die Begrifflichkeit egal, Volksgeist, Volkscharakter, Volksseele. Völlig egal. Gibt es sowieso nicht. Wer einen Begriff sucht, für einen undefinierbares Bedürfnis, der kann das Ding benennen wie er will. Wenn das Gemüt ergriffen sein will, bzw. jemand Interesse daran hat, dass der Verstand den Löffel abgibt, dann sind Begriffe egal. Es ist nicht nötig, dass Begriffe eine Bedeutung haben, um eine Kraft zu entfalten. Man ist ja auch schon für Volk und Vaterland gestorben. Kein Mensch weiß, was Volk und Vaterland bedeutet, aber die Kraft, die diese Begriffe entfacht haben, war unstreitig GEWALTIG.
Obwohl: Volksgeist und Volksseele ist zwar irgendwie dasselbe, also ein Geist oder ein Phantom, aber manchmal ist Seele und Geist auch nicht dasselbe. Eine verlorene Seele ist wohl jemand, den der Teufel am Wickel hat, weil er ein ganz schlimmer Genosse ist. Aber ein verlorener Geist? Der irrt auch irgendwie umher: „Hamlet, ich bin deines Vaters Geist, verdammt auf eine Zeitlang hier zu wandeln.“ Manchmal wandeln aber auch die Seelen, bei Dante z.B. wandeln Francesca und Paolo als Seelen (anime, „O anime affannate, venite a noi parlar, s’altri nol niega!“) durch die Hölle. Vielleicht hat das eine Logik. Oberirdisch Geist, unterirdisch Seele. Dann gibt es noch die Seelenverwandtschaft. Die liegt wohl vor, wenn eine geistige Nähe besteht. Dann gibt es noch ganz verrückte Dinge. Der Geist kann auch nicht mit den Seelen wandern, so was gibt es bei Lord Byron.