Bekanntlich zweifelt Adorno an der Möglichkeit, dass ein geistiges Artefakt spontan erfasst werden kann, doch leider ergibt sich heraus kein Ansatz der Vermittlung.
Was das allgemeine Bewußtsein und eine willfährige Ästhetik unter Kunstgenuß nach dem Modell realen Genießens sich vorstellt, existiert wahrscheinlich überhaupt nicht. An der künstlerischen Erfahrung tel quel hat das empirische Subjekt nur beschränkten und modifizierten Anteil; er dürfte sich verringern, je höher das Gebilde rangiert. Wer Kunstwerke konkretistisch genießt, ist ein Banause; Worte wie Ohrenschmaus überführen ihn. Wäre aber die letzte Spur von Genuß exstirpiert, so bereitete die Frage, wozu überhaupt Kunstwerke da sind, Verlegenheit.
Bestritten bzw. relativiert wird die Aussage, dass der Erfahrungshorizont, das empirische Subjekt, bei der Rezeption eines geistigen Artefaktes entscheidend ist, was umso mehr zutreffen soll, je mehr der geistige Artefakt seiner eigenen Logik folgt, je höher es also rangiert, was z.B. dann der Fall ist, wenn auf die Komplexität einer Gesellschaft eingegangen wird. Dauerhafte Euphorie kommt dann nicht auf, allerdings kann man im Sinne Blochs festhalten, dass die Euphorie der ultimative utopische Horizont ist. Historisch gesehen dürfte die Aussage Adornos schlicht falsch sein. Es ist unmittelbar einsichtig, dass geistige Artefakte einen historischen Erfahrungshorizont haben. Kaum anzunehmen, dass die alten Römer was mit Paul Klee hätten anfangen können, der Mensch des Mittelalters was mit den Toten Hosen. Der Tod des Vergil wäre glatt von der spanischen Inquisition durchgewunken worden, die hätten schlicht nicht verstanden, um was es überhaupt geht, wenn auch dem Werk kein ökonomischer Erfolg beschieden gewesen wäre. Das zwischen dem real konkretistischen genießen einer Rindsroulade und der Rezeption eines geistigen Artefaktes ein Unterschied besteht, ist unstrittig. Das liegt schon daran, dass das Buch, insofern es mehr als reine Unterhaltung ist, weiterlebt, auch wenn die letzte Seite gelesen worden ist. Ohrenschmaus ist in der Tat ein schräger Ausdruck in diesem Zusammenhang, weil die Begeisterung ja gar nicht in den Ohren stattfindet. Ein Aspekt taucht in der gesamten Ästhetischen Theorie nicht auf. Das geistige Artefakt kann das einzelne Individuen auch aus seiner Isolation lösen, indem es feststellt, dass auch andere die gesellschaftlichen Verhältnisse ähnlich beurteilen. Das, und weniger das ästhetische Erlebnis, dürfte der Grund sein, warum geistige Artefakte in autoritären Systemen immer mal wieder zensiert werden.
Auf die letzte Frage gibt Adorno allerdings keine Antwort. Wozu braucht man geistige Artefakte, wenn diese nicht begeistern? (Begeistern dürfte der treffendere Begriff sein, denn er ist ausreichend vage, um ein breites Spektrum an Intentionen zu erfassen. Man kann begeistert sein, weil etwas eine neue Perspektive auf die Welt eröffnet, man kann begeistert sein, weil ein Bruch ausgedrückt wird mit einer Tradition, die als lähmend empfunden wird, man kann begeistert sein, weil eine Wahrheit pointiert gesagt wird, man kann begeistert sein, weil eine Handlungsalternative dargestellt wird etc. etc..)
Aufhorchen lässt der Ausdruck modifizierter Anteil. Es ist also nicht klar, ob das geistige Artefakt aufgrund der Vorerfahrung verstanden wird oder ob die Vorerfahrung nicht durch das geistige Artefakt modifiziert wird. Es dürfte beides zutreffen, das entspricht der Alltagserfahrung. Unsere Vorerfahrung kann modifiziert werden, wenn mehr Informationen verfügbar gemacht werden. Ohne jede Vorerfahrung allerdings ist das geistige Artefakt bedeutungslos, wir werden uns gar nicht damit beschäftigen.
Vermittlung kann also nur heißen, dass von einem bestehenden Bewusstsein ausgegangen wird. Vermittlung muss aber scheitern, wenn ein salto mortale ohne Gegenwartsbezug durchgeführt wird. Das entspricht dem empirischen Befund. Gegenstand der öffentlichen Debatte sind Zeiträume, mit denen die Öffentlichkeit noch persönliche Erfahrungen verbindet, also z.B. für Deutschland der Zeitraum zwischen 1933 und 1945 oder der Zeitraum zwischen 1949 bis 1989. Die Frage, warum das Römische Weltreich zusammengebrochen ist, ist dann eher was für Historiker. Die Tatsache, dass sich ägyptischen Pharaonen mit einer kompletten Haushaltsausstattung begraben ließen, damit im Jenseits alles da ist, was man so braucht, ist interessant, vor allem weil auch germanische Fürsten, chinesische Kaiser und indische Maharadschas im Jenseits auf nichts verzichten wollten und die gleichen Maßnahmen ergriffen. Allerdings fehlt hier eine Machbarkeitsstudie. Es ist unklar, ob mit diesen Mitteln das erwünschte Ziel erreicht werden kann. Relevant ist das aber nicht mehr. Das Bindeglied zwischen Diesseits und Jenseits war in späteren Zeitaltern die Seele, die braucht keinen Hausrat, das Paradies ist vollständig möbliert. Heutzutage besteht eine Tendenz anzunehmen, dass nach dem Tode eben endgültig Schicht im Schacht ist, dann braucht man auch keine Möbel mehr. Die Ägypter sind also ein geschichtliches Kuriosum und unterhaltsam, aber eben nicht relevant.