Die AFD will also ein Bewusstsein stärken, welches kulturelle Verbundenheit wahrnimmt. Sie will also keine Politik, die den einzelnen dabei unterstützt seine Identität zu finden; sie will eine Identität schaffen und bei der Gelegenheit auch noch zukünftige Generationen prägen. Kaum anzunehmen, dass die unverwechselbaren Eigenheiten tatsächlich a priori vorhanden sind. Die AFD will diese über das Bildungssystem schaffen. In früheren Zeiten hätte man geschrieben den Volkskörper formen. Unabhängig von der Tatsache, dass dieses Vorhaben zum Scheitern verurteilt ist, in der globalen Welt baut sich jeder seine Identität aus dem zusammen, was er weltweit vorfindet, dürfte das die präzise Definition von Unfreiheit sein. Ein Staat, der eine Identität schaffen will, ist bestenfalls lediglich autoritär, schlimmstenfalls schlicht faschistisch. Das ist sowas ähnliches wie das sozialistische Bewusstsein, was wiederum teilweise erklärt, warum die AFD in den neuen Bundesländern so erfolgreich ist. Wer nur Worthülsen kennt und nie Gelegenheit hatte, sich zu entwickeln, der ist eben für Worthülsen anfällig. Das Parteiprogramm der AFD führt dann weiter aus.
Für die AfD ist der Zusammenhang von Bildung, Kultur und Identität für die Entwicklung der Gesellschaft von zentraler Bedeutung.
Da wird der Autor den Eindruck nicht los, dass man sich bei der AFD so wenig mit dem Geist beschäftigt hat, wie beim Wissenschaftsjahr. Wenn man für den Geist auf allen möglichen Ebenen pro Jahr ein paar Milliarden Euro Steuergelder austütet, dann sollte man sich schon mal überlegen, was man darunter eigentlich versteht.
Merkwürdig ist auch, dass die AFD das kulturelle / geschichtliche Erbe weiterentwickeln will, wobei sie die Jahre 1933 bis 1944 als Betriebsunfall betrachtet, also ein positiv betrachtetes Kontinuum unterbrochen wurde. Logischer wäre das. Wenn man sich in einer Tradition sieht, die es weiter zu entwickeln gilt, dann ist Geschichte eher ein Kontinuum. Dann wäre es aber naheliegender, das Dritte Reich als Folge von Prozessen zu verstehen und es dürfte einfacher sein ein, eine Linie von Friedrich II zum dritten Reich zu ziehen, als das Dritte Reich als ein Naturphänomen zu betrachten, ähnlich wie ein Erdbeben, das plötzlich hereingebrochen ist.
Sind Worthülsen institutionell verankert, werden sie zum Problem. Hat das Individuum keine Chance bekommen, seine eigene Individualität zu entwickeln oder unter Kenntnis von Alternativen der Worthülse etwas entgegenzusetzen, kann die Ablehnung der Worthülse nur in der Negation derselben bestehen. Zu einem positiven Gegenentwurf wird das Individuum nicht in der Lage sein.
Das ist auch das Problem des Faust. Das Streben des Faust hat keine Richtung. Das Streben äußerst sich erstmal nur in der radikalen, destruktiven Ablehnung.
Fürwahr! Er dient euch auf besond`re Weise.
Nicht irdisch ist des Toren Trank und Speise.
Ihn treibt die Gärung in die Ferne,
Er ist sich seiner Torheit halb bewusst;
Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne
Und von der Erde jede höchste Lust,
Und alle Näh und alle Ferne
Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust.
Der Gegenspieler ist Wagner, das ist der typische Professor, wie man ihn noch heute an jeder x-beliebigen geisteswissenschaftlichen Fakultät findet. Er schreibt zu jedem x-beliebigen Thema ewig lange Abhandlungen mit einer ewig langen Literaturliste, die dann die Wissenschaftlichkeit verbürgen, allerdings niemanden interessieren. Sieht man mal von den total Verwirrten aus der Gruppe der Intertextualität ab, dann wird es kaum einen Literaturwissenschaftler geben, der vollkommen verneint, dass es vor dem literarischen Text eine Welt gegeben haben muss, die der Dichter in irgendeiner Form verarbeitet. Nur bei den Vertretern der Intertextualität war am Anfang das Wort, denn zumindest ursprünglich muss der Text irgendwas beschrieben haben. Fehlt aber jedes empirische Substrat, was bei Professoren und Lehrern, die ihr Leben überwiegend in Sphären mit ganz eigenen Regeln verbracht haben, dann fehlt auch jeder authentische Zugang. Wenn das Werk eine Welterfahrung vermittelt, dann bedarf es eben auch zum Verständnis eine Welterfahrung. Fehlt diese Welterfahrung, ist die Authentizität eines Werkes, die Bedeutung oder Bedeutungslosigkeit für das individuelle Bewusstsein, nur noch durch die Länge der Literaturliste verbürgt. Wenn irgendjemand schon mal dasselbe gesagt hat, dann muss auch einen Wahrheitsgehalt haben, auch wenn der Schreiberling keine Möglichkeit hat, das selbst zu prüfen. Es gibt dann auch kein genuines Erkenntnisinteresse mehr, denn wenn alles interessant ist, ist eben nichts mehr interessant. Der Geist kann dann die Welt auch nicht erstrahlen lassen, von großer Ankunft künden, überschreiten, eine Vision entwerfen, denn es ist schlicht gar keine Welt mehr da. Bildung hat dann nur noch einen systemischen Wert, ist also rein extrinsisch.
Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet,
Der immerfort an schalem Zeuge klebt,
Mit gier’ger Hand nach Schätzen gräbt,
Und froh ist, wenn er Regenwürmer findet!